Am Eingang bekommt jeder Besucher eine Einverständniserklärung, dann geht es zahlreiche Treppen hoch unter die Glaskuppel. Hier findet sich eine Reihe von Menschen, in freudiger Erwartung dessen was kommen wird, füge ich mich ein. Es ist Donnerstag Mittag und ein Feiertag, einer dieser Tage an denen die Düsseldorfer wohl kollektiv auf die Idee gekommen sind ins Museum zu gehen. Grundsätzlich sind Feiertage immer gut, wenn man ein Freund von langen Warteschlangen und beschränkter Sicht auf die Arbeiten ist. In weiter Ferne, an der Spitze der Reihe kann man schon einige Museumsmitarbeiter hinter Absperrungen in weißen Overalls erahnen. Deren Aufgabe ist es wohl, die wilde Horde Museumsbesucher durch die Installation zu koordinieren. Ganz im Sinne dessen werden die Besucher in Zehnergruppen durchgewunken und zunächst die Einverständniserklärung eingesammelt. Es folgt eine Sicherheitsbelehrung, dann darf man sich selbst in einen der formschönen Overalls schwingen, wahlweise in Schwarz, Blau oder Grau. Das eigene Schuhwerk muss besser profilierten Wanderschuhen weichen. Ich schlüpfe in ein Paar in Größe 39, die Schuhe sind noch lauwarm von den hunderten von Personen, die da vor mir schon drin gesteckt haben. Die Hosentaschen werden gelehrt, Brillen an Bänder gelegt, darauf folgt die nächste Sicherheitsunterweisung. Laufen, springen und das Beklettern der Bälle ist verboten, also im Grunde alles was Spaß machen könnte. Ich und meine neun Mitstreiter dürfen 10min bleiben, hinter uns scharrt schon die nächste Gruppe mit den Hufen. Also insgesamt eine sehr kontrollierte und zeitlich durchterminierte Erfahrung, könnte man meinen. Wir werden in das untere Ende eines weißen Kastens geleitet und kommen an der anderen Seite am oberen Ende wieder raus. Der Eingang zu einem sich über mehrere Ebenen erstreckenden Netz, über ihm die Glaskuppel, unter ihm nichts, zumindest für die nächsten 25 Meter. Nun hat man die Wahl, möchte man sich am äußeren Rand des Netzes entlang hangeln, links rum, oder geradeaus runter laufen in die durchhängende Mitte, direkt über dem Abgrund. Ich entscheide mich für Variante zwei, schon alleine weil die meisten meiner Mitstreiter Variante eins wählen, anscheinend aus Unwillen das Netz links auf Armhöhe los zu lassen, was für Stau sorgt. Das Netz ist schwabbeliger als erwartet , hier zahlen sich zahlreiche Balanceübungen beim Yoga aus. Hat man Füße die kleiner als die eines gewöhnlichen Clowns sind, bleibt man überall zwischen den Maschen hängen. Die größte Herausforderung ist es aber die Höhe in der sich das Netz befindet und hier spielt einem der Verstand einen Streich. Denn obwohl man rational gesehen weiß, dass man auf Grund des Netzes nicht einfach runter fallen kann, ist das Bewusstsein das einen vom Boden in 25 Meter Tiefe nur ein paar Seile trennen, doch sehr präsent. Die Emotionen reichen von leichtem Schwindel, über Übelkeit bis hin zur totalen Panik bei einigen Besuchern. Spätestens an diesem Punkt muss man sich entscheiden, ob man zurück geht oder doch weiter. Geht man raus ist das Unwohlsein zu Ende, aber geht man weiter wird es mit jedem Schritt weniger. Ich beginne mich durch die einzelnen Ebenen zu arbeiten, so das jetzt zwei, drei Netze unter mir sind. Die oberen sind fester gespannt und langsam scheint sich der Gleichgewichtssinn anzupassen. Man fängt an sich schneller zu bewegen, auch wenn dadurch alles anfängt zu vibrieren, besonders wenn einem jemand anderes entgegen kommt. Ich werde langsam übermütig und fange an zwischen den obersten aufgeblasenen Kugeln hin und her zu krakseln. War das eigentlich erlaubt? Bevor allerdings der Wahnwitz überhand nimmt, werden alle zum Eingang zurück gerufen. 10 Minuten sind wohl die Zeit, in den man die Besucher auf Grund ihrer anfänglichen Unsicherheit noch optimal kontrollieren kann, bevor sie außer Rand und Band geraten. Die Treppe zurück runter scheint fast noch schwieriger als die Bewegung in dem vibrierenden Netz, wahrscheinlich wegen dem vibrierenden Netz. Betrachtet man jetzt etwas wehmütig die nächsten Männchen im Netz, so fällt auf dass es den jungen Besuchern viel schneller gelingt sich wie selbstverständlich im Netz zu bewegen als den Älteren. Nimmt der Gleichgewichtssinn im Alter ab? Oder das Angstempfinden zu? Tomás Saraceno, Künstler und Architekt dieser Welt sagt dazu: „Das Werk zu beschreiben, bedeutet die Menschen zu beschreiben, die es benutzen- und deren Gefühle.“ So sind es bei mir nachdem ich sie einmal betreten habe auch viel weniger die Netzstrukturen, die mir in Erinnerung bleiben. Viel mehr ist es das Gefühl sich in Ihnen zu bewegen. Ein Gefühl, dass das Verlangen nach Leben in so luftigen Höhen, einem dermaßen variablen Umfeld und dem Blick von oben auf alles, auslösen kann. Auch mal ausprobieren? Dann auf ins K21 Ständehaus in Düsseldorf. Unter der gewaltigen Glaskuppel hat Saraceno diese Parallelwelt erbaut. Die Rauminstallation mit dem Namen „in orbit“ ist eine Konstruktion aus Stahlnetzen und luftgefüllten PVC-Kugeln. Gespannt unter der Glaskuppel auf drei Ebenen und 2500 Quadratmetern zwischen denen man sich bewegen kann. Es sollte nur kein Spontan-Besuch sein, denn die Installation muss sehr oft gewartet werden und ist dann geschlossen. Also vorher auf der Internetseite des K21 informieren, ob sie gerade geöffnet ist.
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Anna Szermanski
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Kunst gucken
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In Orbit Düsseldorf