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2. Juni 2015

Maria bei der Selbstbefragung

Manchmal braucht es einen kurzen Fußweg, einen anderthalbstündigen Flug und eine Busfahrt um Maria Lassnig in Barcelona zu begegnen. In der Fundació Antoni Tàpies, die der spanische Informel-Künstler selbst gründete, gastiert sie gerade mit einer Retrospektive.

Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper und dem Körperempfinden ist in der häutigen Kunstszene ein häufiges Sujet für Künstlerinnen, ob sie sich mit Farbe beschmiert über Leinwände wälzen oder im Freien Eier ausscheiden. Eine der ersten, die sich mit der weiblichen Position in der Kunstwelt und der Gesellschaft beschäftigt hat, war Maria Lassnig. Die 1919 in Österreich geborene Künstlerin fand schnell ihr Thema: sich selbst, ihren Körper, ihre Entwicklung. Ihre Arbeiten sind Selbstdarstellungen, manchmal in Beziehung zu Maschinen, Tieren oder anderen Menschen. Lassnig interessiert sich für das Subjekt, sich selbst, nicht für das Objekt und ihre Arbeiten wurzeln in einer permanenten Selbstbefragung.

Lassnig studierte an der Wiener Akademie der Künste. Wie kam sie wohl an, ihre emanzipierte Kunst in einer unemanzipierten Gesellschaft? Lassnigs oft in Pastelltönen gehaltene, nackte Selbstdarstellungen fanden nicht unbedingt Anklang. Schon in der Akademie musste sie nach kurzer Zeit die Klasse wechseln, weil ihr Professor ihre Kunst für entartet hielt. Auch als sie nach dem Studium nach Paris und New York ging wurden ihre Arbeiten häufig als „strange“ und morbide bezeichnet. Lassnig selbst besingt in einem autobiografischen Film über sich, wie schwer es ihr vor allem ihre männlichen Künstlerkollegen gemacht haben. Irgendwann wurde es etwas besser, Lassnig bekam eine Professur an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien, nahm zwei Mal an der documenta teil und wurde zur Biennale in Venedig eingeladen. Die Frage die sich unweigerlich stellt: Wäre es ihr auch so schwer gemacht worden, wenn sie ein Mann wäre? Diese Frage in allen Nuancen auszudiskutieren soll Alice Schwarzer überlassen werden, die „Emma“ jedenfalls ist großer Lassnig-Fan.

Trotz aller Widrigkeiten verbittern Lassnig nicht, ihre Arbeiten zeigen alle Nuancen der menschlichen Gefühlswelt von Glück bis hin zur Verzweiflung. Dabei werden sie aber nicht schwer und träge, da die Maria mit einer ordentlichen Portion Humor und Selbstironie ausgestattet ist. Maria Lassnig ist 2014 verstorben, sie lässt ein Werk zurück das sich betrachten lässt wie ein Fotoalbum. Sie selbst jung und von Bild zu Bild alternd, mal ängstlich mit Teddybär, mal in den Himmel schauend in futuristischer Sonnenbrille. Diese Stringenz ist es die ihr Werk so einzigartig macht, während andere Künstler ihre Themen variieren und verändern hat Lassnig das Interesse an ihrem, ein Leben lang nicht verloren. Lassnigs Arbeiten sind authentisch, hüllenlos zeigt sie sich selbst, in expressiver Manier und mit ordentlich Augenzwinkern.