Es ist Donnerstag, der 25.07.13, 9.30Uhr Ortszeit auf dem Trafalgar Square in London. Der Verkehr fließt vorbei wie wohl an jedem anderen Tag, aber irgendwas ist anders. Einer der vier Sockel mit Skulpturen, die den Platz rahmen ist mit einer grauen Plane verhüllt und vor ihm eine Schar von Menschen und Kameras. Man sieht Frauen in eleganten Sommerkleidern zu Neon-Turnschuhen, Männer mit teuren Brillengestellen und asiatische Touristen mit Kameras im Anschlag. Hier muss es wohl um Kunst gehen, nämlich um die Enthüllung des Hahn/Cock von Katharina Fritsch, der die nächsten 18 Monate auf dem nordwestlichen Sockel des Trafalgar Square zu sehen sein wird. Die anderen Drei sind in fester Hand von ehemaligen Generälen und Admirälen, der nordwestliche Sockel wird im circa einjährigen Wechsel mit einer zeitgenössischen künstlerischen Position bestückt. Über allem thront Lord Nelson auf seiner gigantischen Siegessäule, ihm wurde hier ein Denkmal gesetzt weil er 1805 die Flotte Frankreichs in der „Schlacht von Trafalgar“ schlug.
Der Vorhang fällt, die Masse klatscht, Erstaunen auf den Gesichtern. Nun gut, so richtig hinpassen tut er hier nicht, der riesige blaue Kunststoffgockel. Auf den anderen Sockeln Herrscher zu Pferd oder zumindest mit stolz geschwellter Brust und hier ein Hahn, nicht nur ein Tier sondern auch noch das inoffizielle französische Staatssymbol. Was im Hinblick auf die Wahl des Standortes im Voraus doch für einiges Erstaunen sorgte, um es milde auszudrücken.
Doch mit einer ausgesprochenen Gleichgültigkeit gegenüber all diesen Fakten steht der Gockel da. Den Kopf gehoben, die Brust vor Stolz geschwellt und den Blick in die Ferne schweifend. Er braucht keine 51 Meter hohe Säule, keine Fontäne oder Steinlöwen die ihn flankieren, er ist einfach da, der Gockel auf dem Sockel.
Ohne Frage wirkt er wie ein Fremdkörper und die ultramarinblaue Farbe steigert diese Empfinden noch, mit Krawall setzt sie sich vom steinernen Grau des Platzes und der dahinter liegenden National Gallery ab. Die Bedeutung der Farbe Ultramarin, die im Mittelalter auf Grund der Schwierigkeit bei der Gewinnung des Pigmentes, aus einem Schmuckstein, als eine der kostbarsten überhaupt galt und somit nur sehr sparsam und auf ausgesuchten Gemälden benutzt wurde, sei hier nur am Rande erwähnt.
Dieser Hahn ist blau weil er blau sein muss und so fügt sich die Farbigkeit in die Reihe der Absurditäten ein, die dieses überdimensionale Federvieh umgeben. Doch so absurd all dies vielleicht wirken mag, so wird der Bezug zum Travalgar Square doch deutlich, nämlich indem die Beantwortung der Frage „Was passt auf diesen Sockel?“ ins Gegenteil verkehrt wurde.
Ohne Frage ist es Katharina Fritsch gelungen das Absurdeste überhaupt zu machen und daher ist wohl klar, wo in den nächsten anderthalb Jahren die Blicke auf dem Travalgar Square wohl zuerst hinwandern werden, denn auf diesem Platz hat er definitiv den größten Cock, dieser Hahn.
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Anna Szermanski
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Kunst gucken
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Katharina Fritsch London