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2. Juni 2016

Leben um zu arbeiten oder arbeiten um zu leben?

Alle Welt ist immer so begeistert vom spanischen Lebensgefühl. Denn hier würden die Menschen morgens länger schlafen, im Café Croissants mit Café con Leche frühstücken, wenig arbeiten dafür aber mittags drei Stunden Siesta machen. Abends dann bei gutem Wein und Serrano-Schinken mit ihren Amigos draußen sitzen und sich um das mañana keine Gedanken machen. Ganz anders als im deutschen Hamsterrad, frühmorgens mit Coffee to go bei schlechtem Wetter von Termin zu Termin hetzen und abends dann noch fahlgesichtig zum Sport um sich dann endlich mit einer Tiefkühlpizza einbetoniert in seine eigenen vier Wände auf den Fernseher starrend selbst zu bemitleiden. Womöglich wird der nächste Tag nämlich noch schlimmer.
Ungefähr genauso lebensnah und realistisch sind die Vorstellungen vom Dasein als Künstler. Blickt man zurück auf die europäische Avantgarde wird interessanter Weise schnell deutlich, dass ein großer Teil der Künstler aus einem Land kam welches bekannt ist für seinen, nennen wir ihn mal mediterranen Lebensstil, nämlich Spanien. Nur um mal mit einigen Namen um sich zu werfen wären da Salvador Dalí, Pablo Picasso oder Joan Miró. Alles Spanier wie sie im Buche stehen, natürlich schon damals alle im Diskurs mit ihren Kollegen in Frankreich und teilweise Amerika, aber trotzdem.
Verweilen wir doch etwas beim letztgenannten, Miró. Geboren in Barcelona mit einer Mutter die gebürtig von Mallorca kam, sodass der kleine Joan schon in den Genuss von Sommern auf der Baleareninsel bei seinen Großeltern kam. Dort lernte er auch seine spätere Frau Pilar Juncosa kennen, auch Mallorquinerin. Zusammen zogen sie nach Paris, eine Zeit die für Miró künstlerisch sehr prägend war, doch als sie 1940 Paris verlassen mussten verschlug es sie zurück nach Spanien. Zunächst nach Barcelona in das Elternhaus von Miró und dann nach Mallorca, wo er 29 Jahre lebte und arbeitete bevor er 1983 verstarb. Auf Mallorca ließen sie sich in Cala Mejor nieder, einem Randbezirk von Palma wo Miró sich seinen großen Wunsch eines eigenen geräumigen Ateliers erfüllt, dass von dem katalanischen Architekten Josep Lluís Sert entworfen wurde. Später kamen fußläufig noch ein zweites Atelier für seine bildhauerischen Arbeiten und eine Druckgrafikwerkstatt hinzu. So schuf Miró sich seine eigene kleine Insel auf der Insel. Als die große Urbanisierungswelle auf Mallorca begann und Menschen aus allen Teilen Europas plötzlich den Drang verspürten eine Residenz, zumindest für die Ferien, hier zu errichten, bekam er Angst. Angst das seine Oase nach seinem Tod überrollt werden würde von einem Bulldozer zugunsten einer weiteren Villa oder einer Hotelanlage. Deshalb vermachten Joan und Pilar das Gelände mit Ateliers, Kunstwerken, Objekten und Dokumenten der Stadt Palma und betteten es ein in eine Stiftung, die Fundació Pilar i Joan Miró a Mallorca. Das Stiftungsgebäude befindet sich heute neben Mirós Ateliers und zeigt wechselnde Ausstellungen über Miró und Positionen zeitgenössischer Kunst, die Ateliers sind konservierte Pilgerstätten. Über kleine geschwungene Steinpfade gelangt man vorbei an Teichen mit Schildkröten und Fischen, Mirós Skulpturen und üppigen Pflanzen zu den einzelnen Gebäuden. Alles eingebettet in eine Parkanlage auf einem Hügel mit Meerblick während sich drumherum längst die Betonwüste erhoben hat. Ganz nach Mirós Wunsch ist das Areal aber nicht ausschließlich Museum, sondern soll eine Begegnungsstätte für die Rezeption und Produktion von Kunst sein. Es gibt eine Bibliothek, Tagungsräume und ein ausgefeiltes kunstpädagogisches Programm. Genauso wie Ateliers die an Stipendiaten vergeben oder gemietet werden können und die Druckwerkstätten in denen noch immer Künstler arbeiten.
So schließt sich der Kreis und das Gesagte klingt wie ein weiteres mit Worten entworfenes Klischee. Aber jeder der auf Mallorca ist und genug hat vom in der Sonne braten und Sangria aus Eimern trinken (um bei den Klischees zu bleiben) sollte unbedingt hier vorbei kommen und sich ein eigenes Bild machen.